* Es gilt das gesprochene Wort.

Marco Chiesa, Ständerat, Parteipräsident SVP Schweiz

Wie würden wir reagieren, wenn ein Land uns vorschreiben wollte, wie wir unsere eigenen Angelegenheiten zu regeln haben? Sie können sich ja denken, was der SVP-Präsident davon halten würde, aber ich bin sicher, dass sich auch starke Gegenstimmen aus der Bevölkerung und aus allen Parteien erheben würden.

Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative verfolgt genau dieses Ziel. Die Schweiz soll ihre Moral der ganzen Welt aufzwingen und die Rolle des Weltpolizisten einnehmen. Dies ist weder wünschenswert noch umsetzbar. Vor allem aber birgt die Initiative enorme Risiken für Schweizer Unternehmen. Das gefährdet unseren Wohlstand und kommt uns teuer zu stehen.

Die Schweiz kann stolz sein auf ihre international tätigen Unternehmen, ob klein, mittel oder gross. Nur wenige vergleichbare Länder haben derart viele. Die grosse Mehrheit wendet Schweizer Standards an, insbesondere in den Bereichen Unternehmensverantwortung, Menschenrechte und Umwelt. Sie sorgen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen an Orten, an denen die Einhaltung von Grundregeln nicht selbstverständlich ist. All diese Unternehmen nimmt die Initiative ins Visier und macht sie zu Verdächtigen und Übeltätern.

Ich möchte klarstellen, dass es hier nicht darum geht, sich selbstverständlichen Verpflichtungen zu entziehen. Schweizer Unternehmen müssen bei ihren Aktivitäten im Ausland Menschenrechte und Grundregeln einhalten. Das ist auch nicht das Problem, sondern der von der Initiative vorgeschlagene Weg.

Was gibt der Schweiz das Recht, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen?

Warum sollten die betroffenen Länder akzeptieren, dass Schweizer Richter über Fälle entscheiden, welche sie betreffen? Dies ist eine nicht hinnehmbare Verletzung ihrer Souveränität, die wir selbst nicht akzeptieren würden. Es zeugt von Neokolonialismus, da impliziert wird, ihr Rechtssystem sei minderwertig. Um einen Fall in der Schweiz beurteilen zu können, muss dieser seriös untersucht werden. Wie sollen Schweizer Ermittler in Ländern mit Krieg oder schwachem Staat ihre Arbeit verrichten? Das wäre eine Anmassung, die der Schweiz nicht würdig wäre.

Schweizer Unternehmen werden zur Zielscheibe von erpresserischen Klagen

Die Initiative macht Schweizer Unternehmen für Handlungen ausländischer Firmen im Ausland haftbar. Darüber hinaus schwächt sie von Anfang an die Position von Unternehmen in Gerichtsprozessen. Ein wahres Geschenk an die ausländische Konkurrenz, welche solch extremen Gesetzen nicht unterworfen ist. NGOs und aggressive Anwälte, insbesondere amerikanische, warten nur auf die Gelegenheit, Klage einzureichen. Selbst bei unbegründeten Klagen wird der Ruf der betroffenen Schweizer Unternehmen immer noch massiv geschädigt. Das alles nimmt beträchtliche Mittel und Ressourcen in Anspruch, die Unternehmen besser in ihre Geschäftstätigkeiten investieren sollten, insbesondere in den betroffenen Ländern.

Einseitige Benachteiligung

Die Einführung einer weltweit einmalig strengen Regulierung führt dazu, dass Schweizer Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen benachteiligt werden. Warum sollte eine in der Schweiz hergestellte Kaffeekapsel bedenklich sein, während die eines italienischen Herstellers, welche im selben Geschäft verkauft wird, kein Problem darstellt? Dieses Lehrbuchbeispiel zeigt auf, was passiert, wenn man Klassenbester werden will.

Absurde, teure und ineffiziente Kontrollpflichten

Ich sagte bereits, dass die Initiative international tätige Schweizer Unternehmen benachteiligt. Man braucht sich nur anzuschauen, was ihnen im Bereich der Sorgfaltspflicht abverlangt würde. Es ist normal, dass Unternehmen ihre Tochtergesellschaften kontrollieren müssen, dies reicht den Initianten aber nicht. Sie wollen die Pflicht zur Abschätzung und Verhinderung von möglichen Rechtsverletzungen auf alle Geschäftbeziehungen ausweiten. Ganz konkret werden Unternehmen die gesamte Lieferkette rückverfolgen müssen, um den Lieferanten des Lieferanten des Lieferanten des Lieferanten zu kontrollieren. Das ist besonders für KMU eine gewaltige Aufgabe und sehr schwierig umzusetzen. Im Falle von Haftungsklagen öffnen unvermeidbare Verfehlungen Tür und Tor für Kläger und ihre Anwälte.

Gefährdung der Schweizer KMU wird vertuscht

Den Initianten ist bewusst, dass ihr Anliegen sehr problematisch ist, deshalb versuchen sie die Gefahren zu vertuschen. Sie verbreiten überall die schöne Geschichte, KMU seien nicht betroffen. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Viele von ihnen sind im Ausland tätig und sehr wohl betroffen. Mögliche Rücksichtsnahmen auf die KMU sind nur vage beschrieben und im Bereich der Haftung gibt es gar keine Ausnahmen. Zudem sind in der Schweiz tätige KMU auch betroffen, weil sie oft Zulieferer von international tätigen Unternehmen sind. Letztere werden verständlicherweise versuchen, die durch die Initiative geschaffenen Risiken zu minimieren, indem sie von den KMU verlangen, die Haftung für alle von ihnen gelieferten Produkte zu übernehmen. Für Zulieferer der Uhrenindustrie, die auch mit Gold arbeiten, ist dies beispielsweise bereits heute Realität. Unendlicher Papierkram und neue Risiken brauchen unsere KMU nun wirklich nicht.

Wenn auch das von der Initiative angesprochene Anliegen berechtigt ist, der vorgeschlagene Weg ist falsch. Eine Annahme der Initiative würde Schweizer Unternehmen schwer bestrafen, und zwar nur sie! Die Initianten stellen die Gegner der Initiative als herzlos und skrupellos dar. Es ist Zeit aufzuwachen. Die Initiative schadet unserem Land vielmehr, als dass es das Anliegen der Initianten befördert.

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