Artikel von Ruedi Noser – Ständerat FDP Zürich – im „Freisinn“ vom 04.09.2020

Die Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“ verlangt, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz auch im Ausland Haftung für Menschenrechtsverletzungen und Missachtungen von Umweltstandards übernehmen sollen. Die Forderung, dass Unternehmen verantwortungsvoll Handeln müssen, ist unterstützenswert. Die von den Initianten vorgeschlagenen Instrumente, die in der Schweizer Bundesverfassung festgesetzt werden sollen, sind aber nicht zielführend. Im Gegenteil. Die Initianten wollen in der Schweiz die weltweit faktisch strengsten Haftungsregeln einführen und legen damit unserer von Corona gebeutelten Wirtschaft unverhältnismässige Fesseln an.

Am 29. November stimmen wir über die Unternehmensverantwortungsinitiative, kurz UVI, ab, die von 50 verschiedenen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen eingereicht wurde. Sie verfolgt ein hehres Ziel: Unternehmen mit Sitz in der Schweiz müssen die Menschenrechte und internationalen Umweltstandards auch ausserhalb der Schweiz respektieren. Verletzt ein Unternehmen Menschenrechte oder missachtet verbindliche Umweltstandards im Ausland, soll es in der Schweiz zur Rechenschaft gezogen werden können.

Sippenhaftung

Hört sich gut an. In der Praxis bedeutet das jedoch, dass Schweizer Unternehmen den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt künftig verbindlich in ihrer gesamten Wertschöpfungskette, bis hin zum letzten Zulieferer, garantieren müssen. Mit der Annahme der Initiative werden Schweizer Unternehmen damit auch für Tätigkeiten von anderen Firmen haften, die sie zwar wirtschaftlich kontrollieren, bei denen sie aber nicht direkt am operativen Geschäft beteiligt sind. Gleiches gilt für Lieferanten, auf die sie – wenn überhaupt – nur beschränkt Einfluss haben.

Bei Volksinitiativen sind die hehren Ziele leider nicht entscheidend. Es sind die vorgeschlagenen Instrumente, die zählen. Denn diese sind es, die schliesslich in unserer Bundesverfassung verankert werden. So ist es selbstverständlich, dass Schweizer Unternehmen verantwortungsvoll handeln müssen. Um das sicherzustellen schlägt die UVI jedoch Instrumente vor, die unnötig und kontraproduktiv sind und den Wirtschaftsstandort Schweiz unmittelbar und erheblich schaden würden.

Bedrohung für Standort Schweiz

Durch die Einführung von weltweit einzigartig strengen Haftungsregeln würde die Schweiz als Standort für internationale Unternehmen deutlich an Attraktivität verlieren. Davon betroffen wären wir alle – die Bedeutung, die Schweizer Konzerne für unser Land haben, wird häufig unterschätzt: Rund ein Drittel der Arbeitsplätze, der Steuereinnahmen und des Bruttoinlandprodukts entfallen auf international tätige, Schweizer Konzerne! 

Auch KMU wären betroffen

Schliesslich zielen die Initianten zwar auf die Konzerne ab. Sie werfen in ihrem Eifer aber auch die kleinen und mittelgrossen Unternehmen der Schweiz mit den Konzernen in denselben Topf. Zwar besagt der Initiativtext, dass der Bund bei der Umsetzung der Sorgfaltsprüfungspflicht Rücksicht auf unsere KMUs nehmen soll. Er schliesst sie aber von der Haftungspflicht nicht aus. Ist ein KMU also von einem wichtigen Zulieferer im Ausland abhängig, sind die Bestimmungen der UVI direkt auf das Schweizer KMU anwendbar.

Ausgewogener Gegensvorschlag

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es klar, dass wir uns derart radikale Bestimmungen, wie sie die UVI fordert, nicht leisten können. Darum müssen wir uns bereits jetzt für ein Nein am 29. November 2020 einsetzen. Dies gesagt, gilt es noch zu erwähnen, dass bei einer Ablehnung der Initiative ein Gegenvorschlag von Bund und Parlament in Kraft treten wird. Dessen strikte Regeln nehmen die Schweizer Unternehmen in die Verantwortung, sind gleichzeitig international abgestimmt und entsprechend für die Wirtschaft tragbar.

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