Schwammig formulierte Initiative ist ein riskantes Experiment

Die Initianten der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) legen einen unklar formulierten Initiativtext mit ungewissen Folgen für die Schweizer Wirtschaft vor. Er operiert mit unserem Rechtssystem fremden Begriffen und lässt so erheblichen Interpretationsspielraum offen. Das ist riskant und unverantwortlich.

Angemessene Sorgfaltsprüfung?

Konkret fordern die Initianten eine «angemessene Sorgfaltsprüfung» für «sämtliche Geschäftsbeziehungen». Was «angemessen» genau bedeutet und welche neuen Kontrollpflichten Schweizer Unternehmen beachten müssten, würde Gegenstand langwieriger parlamentarischer Debatten. Wie auch immer dies im Detail umgesetzt würde, die Kontroll- und Dokumentationspflichten werden an Aufwand kaum zu überbieten sein. Für kleine Unternehmen, mit kleiner oder gar nicht vorhandener Rechtsabteilung, ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar sieht der Initiativtext vor, dass bei der Umsetzung «Rücksicht» auf KMU genommen wird. Nur: Rücksichtnahme ist ein schwammiger Begriff. Er bedeutet keinesfalls, dass KMU von den gesetzlichen Folgen der UVI ausgenommen sind. Genau das behaupten die Initianten aber steif und fest. Und falls es tatsächlich auf die Rücksicht auf KMU hinauslaufen sollte: Wie stark soll denn Rücksicht genommen werden? In welcher Form? Für wen? An was werden sich Schweizer Unternehmen in Zukunft halten müssen?

Wirtschaftliche Machtausübung?

Im Gegensatz zur Sorgfaltspflicht sieht die Initiative bei der Haftung keine Rücksichtnahme und schon gar keine Ausnahmen für KMU vor. Wenn sie es denn wirklich gewollt hätten, hätten die Initianten das genau so schreiben können. So würden bei Annahme der Initiative alle Schweizer Unternehmen für das Verhalten unabhängiger Dritter geradestehen, sobald sie «wirtschaftliche Macht» auf diese ausüben. Der Begriff wäre ein Novum im Schweizer Rechtssystem und müsste erst noch ausgearbeitet werden. Der Bundesrat hält fest, dass sich eine solche beispielsweise aus Alleinbezugsverträgen, Alleinvertriebsverträgen, Darlehens- oder Sicherungsverträgen wie Bürgschaften oder Garantien ergeben könne. Konkret: Käsereien wären für die Einhaltung von Umweltschutzstandards ihrer Milchbauern verantwortlich, da viele Bauern nur eine einzige Käserei beliefern. Die Käserei müsste also überwachen, wie der Bauer seine Felder düngt. Es kann gut sein, dass das Parlament noch weitere Arten «wirtschaftlicher Machtausübung» erfindet. Wir wissen es schlicht (noch) nicht.

Welche internationalen Standards?

Unternehmen sollen «international anerkannte Standards» befolgen. Denkbar sind gemäss Initianten die UNO-Pakte I und II, die Kernabkommen der International Labour Organization (ILO) oder andere. Im Bereich Umweltschutz gibt es aktuell gar keine international anerkannten Standards. Die Initianten können sich dennoch einiges vorstellen: das Montreal-Abkommen zum Schutz der Ozonschicht, die Nachhaltigkeitsstandards der International Finance Corporation und so weiter. Und wer weiss, ob da nicht schon bald neue Standards dazukommen oder bestehende abgeändert werden. Langfristiges und nachhaltiges Wirtschaften wird so verunmöglicht.

Schweizer Unternehmen brauchen Planungssicherheit

Die Initiative unterlässt wichtige Präzisierungen und operiert mit unklaren, unserer Rechtsordnung fremden Begriffen. Bundesrat und Parlament teilen die Anliegen der Initianten und haben einen klar formulierten und sofort umsetzbaren Gegenvorschlag erarbeitet. Er tritt nur bei Ablehnung der UVI in Kraft. Sagen Sie deshalb am 29. November NEIN zu diesem riskanten Experiment und unterstützen Sie so den Gegenvorschlag.

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